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Amazon – Teil 1 - Statement bezüglich Amazon

Autor Lukas Ferger
Datum 18 Feb 2013
Kategorie Buch
Fragezeichen zu Amazon

Wir erhalten gerade einige besorgte Emails bezüglich unserer geplanten Launchparty auf Amazon. Wir begrüßen die Diskussion zum Thema Fairness, Nachhaltigkeit und konkreter Veränderung.

Auf dieser Seite halten wir euch transparent und zeitnah zu unserem Prozess in dieser Sache auf dem Laufenden. Für alle, die nicht nur gegen etwas protestieren wollen, lohnt es sich, am Ball zu bleiben. Alle spruchreifen Infos findet ihr dazu hier:

Hier unser aktuelles Statement dazu

Bei oberflächlichem Hinschauen sieht es natürlich gerade so aus, als wäre es keine gute Idee, ein Buch bei Amazon zu kaufen. Leider ist die Sachlage wesentlich komplexer, als es der Bericht von ARD vermuten lässt. Wir haben gerade zwei Experten um Rat gebeten, die sich mit dem Thema Nachhaltigkeit und Fairness beschäftigen. Unsere erklärte Absicht ist faire Kooperation und wirksames Lernen für alle Beteiligten – nicht Shitstorm und einseitige Sichtweisen. Dampf ablassen ist einfach. Wir interessieren uns für den größten Hebel für echte Veränderung.

Wir übernehmen Verantwortung,

  • in dem wir in diesen Tagen sehr genau die Reaktion von Amazon beobachten.
  • In dem wir einen Mitarbeiter beauftragt haben, mehr Hintergrundfakten zu recherchieren.
  • In dem wir uns von zwei echten Nachhaltigkeitsexperten beraten lassen.
  • In dem wir den persönlichen Kontakt zu einem Vertreter von Amazon suchen.
  • In dem wir den persönlichen Kontakt zu einem Vertreter des Betriebsrates von Amazon suchen.

Nachdem wir uns so ein möglichst umfassendes Bild gemacht haben, werden wir unsere bestmögliche Wahl treffen, ob und wie wir mit Amazon kooperieren. Wir bedanken uns bei dir für dein aufrichtiges Interesse an unserer Aktion, dem neuen Buch UND an einem Leben in Fairness für alle.

Wir laden dich ein, dich in unseren Verteiler zur Buchaktion einzutragen (wenn du es noch nicht gemacht hast). So können wir dich effektiv auf dem Laufenden halten. Außerdem veröffentlichen wir hier im Blog aktuelle Updates.

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UPDATE 1

Das erste Gespräch mit einer echten Expertin für Nachhaltigkeit und Fairness hat stattgefunden. Fazit: Boykottieren verändert nichts. Wir sollen nach einem Weg suchen, MIT allen Beteiligten Verbesserung zu initiieren.

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UPDATE 2

Für alle, die ARD blindlings glauben. Falsch berichtet: Ex-Amazon-Zeitarbeiterin wirft ARD-Reportern Verfälschung vor.

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UPDATE 3

Erste Antwort von Amazon auf unsere Anfrage:

Vielen Dank für Ihre E-Mail zum ARD-Bericht „Ausgeliefert! Leiharbeiter bei Amazon“. Gerne beantworte ich Ihre Anfrage.

Zunächst möchte ich Ihnen jedoch mitteilen, dass Amazon veranlasst hat, dass die Zusammenarbeit mit dem kritisierten Sicherheitsdienst mit sofortiger Wirkung beendet wird. Als verantwortungsvoller Arbeitgeber von rund 8.000 festangestellten Logistikmitarbeitern hat Amazon eine Null-Toleranz-Grenze für Diskriminierung und Einschüchterung – und wir erwarten das gleiche von allen Unternehmen, mit denen wir arbeiten.

In der Weihnachtssaison stellen wir zusätzlich zur den rund 8.000 festangestellten Mitarbeitern in den deutschen Amazon Logistikzentren Amazon-Mitarbeiter saisonal befristet ein. Diese Mitarbeiter unterstützen uns, um die erhöhte Anzahl an Kundenbestellungen in Spitzenzeiten zu bewältigen. Gleichzeitig haben wir dadurch die Möglichkeit, potenzielle neue langfristige Mitarbeiter kennenzulernen und gemäß unserem zukünftigen Wachstum einzustellen – so wurden nach dem diesjährigen Weihnachtsgeschäft ca. 2.000 weitere Mitarbeiter in eine langfristige Beschäftigung übernommen. In absoluten Spitzenzeiten arbeiten wir darüber hinaus mit Zeitarbeitsfirmen zusammen.

Alle Mitarbeiter, die länger als ein Jahr in den Amazon-Logistikzentren in Deutschland arbeiten, verdienen über 10 € brutto pro Stunde; im ersten Jahr über 9,30 € brutto. Die in dem Beitrag erwähnten Mitarbeiter aus Spanien, die über eine Zeitarbeitsfirma im Logistikzentrum Bad Hersfeld beschäftigt wurden, erhielten ungefähr den gleichen Lohn wie bei Amazon angestellte Mitarbeiter: Bei einer 37,5 Stunden-Woche verdienten die Zeitarbeitsmitarbeiter 1.400 € brutto im Monat, in der Nachtschicht bei 32,5 Wochenstunden 1.500 Euro im Monat. Diese Beträge wurden per Vertrag auch dann bezahlt, wenn nicht die volle vertragliche Stundenzahl angefordert wurde. Sicherheit hat oberste Priorität in unseren Logistikzentren. Wir nehmen die Sicherheit und das Wohlergehen unserer Mitarbeiter sehr ernst und überprüfen externe Dienstleister, die die Unterbringung von Saisonkräften aus anderen Regionen verantworten, regelmäßig.

Wichtig ist uns hier auch die Rückmeldung unserer Mitarbeiter: Wann immer Mitarbeiter Verbesserungen im Rahmen der Arbeitsbedingungen oder der Unterbringung vorschlagen, prüfen wir dies umgehend. Unser Ziel ist es, Ihre Ware jederzeit schnell und zuverlässig auszuliefern. Wir wissen: Das geht nur mit zufriedenen Mitarbeitern – unabhängig davon, ob sie langfristig beschäftigt, saisonal angestellt oder uns über eine Zeitarbeitsfirma unterstützen. Sie können sicher sein, dass wir jedem Vorfall in unseren Logistikzentren und im Umfeld, der uns von Mitarbeitern zur Kenntnis gebracht wird, nachgehen und bei Bedarf umgehend Verbesserungen einleiten.

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UPDATE 4

Heute haben wir mit VERDI, der Gewerkschaft, telefoniert. Unser Ziel: Persönlichen Kontakt zum Betriebsrat, um einen Weg zu finden, wirklich zu helfen. Fazit des Gespräches: Der Verdi-Ansprechpartner war regelrecht begeistert. Laut seiner Aussage sind die ersten, die wirklich nach einer konstruktiven Kooperation nachgefragt haben, anstatt nur zu meckern oder zu boykottieren. Er bringt dies morgen bei seinen Leuten vor und stellt die Kontakte her.

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UPDATE 5

Einige interessante Überlegungen.

Für alle, die ihren lokalen Buchhändler unterstützen möchten (was ich sehr gut verstehen kann) noch eine kleine, vielleicht überraschende Perspektive: Die beste Art den Buchhandel zu unterstützen, ist… an unserer Amazonaktion teilzunehmen. Wie das? Ganz einfach. Wir haben es bei „SeelenGevögelt“ erlebt. Ohne Amazon wären wir nie in den normalen Buchhandel gekommen. Der wollte uns nicht. Seit der Aktion verkaufen wir für jedes Buch bei Amazon mindestens drei in den normalen Buchhandel. Amazon ist nicht nur der „Feind“. Er ist für kleine Projekte wie unsere die perfekte, weil kostenlose Werbeplattform. Er bringt in unserem Fall mehr Umsatz für die Buchläden. Life is complex.

Und noch einige Überlegungen, aus einer Mail, die uns gesandt wurde: 

„Es gäbe eine einfache Lösung. Die Konsumenten überlegen sich im Februar, was sie Weihnachten an Geld ausgeben möchten, teilen es durch 12 und setzen das dann monatlich bei Amazon um. Dann können zwar im Weihnachtsgeschäft nicht mehr ganz so viele Saison-Kräfte arbeiten, aber die, die da sind, kriegen eine Perspektive, resp Anstellung. Denn NATÜRLICH kann kein Unternehmen der Welt den Einkaufswahnsinn um Weihnachten abdecken und die Kräfte dafür 12 Monate bezahlen. Und natürlich käme kein Journalist auf die Idee, mit Rettungsschwimmern einen Film darüber zu machen, wie ungerecht es ist, dass sie im September nicht vom Bäderamt übernommen wurden. Die Generation meiner Eltern ist im Sommer zur Ernte gefahren. Die haben deutlich schlimmer gehaust, als in diesem ARD-Film. Aber die Ernte muss im Sommer rein. Das ist auch heute noch ihr Wesen. 
Ich will nicht missverstanden werden. Bei Amazon gibt es durchaus Reform-Bedarf. Aber wir wollen doch die Dinge mal nüchtern betrachten und nicht plötzlich in einen Chor einstimmen, dem es bisher völlig Brille war, dass die vielen bunten Päckchen im Dezember genauso schnell gepackt wurden, wie das eine mit der Badehose im Juli. Ich selber kenne genügend Beispiele von ungelernten Arbeitskräften, für die Amazon hart ist, aber eben auch zum Lebensbild gehört. Selbstverständlich gibt es auch Beispiele wie diese Frau aus Spanien. Saisonarbeit ist nicht unbedingt was für Akademiker. Die haben hart gelernt und verdienen einen ordentlichen Arbeitsplatz. Aber man kann wenn dann nur die Gesellschaft Spaniens verantwortlich machen, dass eine Akademikerin von dort durch Europa tingeln muss, um im Weihnachtsgeschäft Geld zu verdienen, das sie zweifelsohne dringend braucht, und das selbstverständlich auch reichhaltiger ausfallen müsste. 
Ich finde schlussendlich den TV-Beitrag nicht sauber. Denn er lässt eine entscheidende Größe völlig außer acht: die, mit der meine Zeilen hier begannen.“

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UPDATE 6

2. März. In der Zwischenzeit haben wir den Betriebsrat von Amazon am Telefon gehabt. Unsere Logik bei diesem Vorgehen: Wenn jemand weiß, wie wir die Menschen vor Ort wirklich unterstützen, dann diese Leute. (Alle, die zum Boykott aufrufen, schon mal drüber nachgedacht, was die Leute vor Ort denn davon haben? Um die soll es doch gehen, oder?) Fazit des Gesprächs: Leider nichts. Die halten sich bedeckt. Irgendwie auch verständlich. Vielleicht haben sie uns nicht einmal abgenommen, dass wir wirklich helfen wollen. Vielleicht haben sie gedacht, wir sind eigentlich von der Presse. Jedenfalls war die Botschaft: Die Dinge sind nicht nur schwarz oder weiß. Es gibt jede Menge Grautöne. Manches ist gut, es gibt Fortschritte, manches ist schlecht und muss verändert werden. O-Ton: „Danke für die Hilfe, aber das müssen wir selbst intern mit der Betriebsleitung klären.“ Nicht das, was wir uns erhofft haben. Viele Fragezeichen bleiben…

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UPDATE 7

Ein guter Artikel zum Thema mit einigen erfrischenden Perspektiven.

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UPDATE 8 (9.März)

Heute kam endlich der erste, direkte, menschliche Kontakt mit Amazon zustande. Ich habe mit Jemanden telefoniert, der seit 7 Jahren bei Amazon arbeitet und im Betriebsrat die Rechte der Arbeitnehmer vertritt. Zusammengefasstes Fazit des Gespräches:

  1. Viele Mitarbeiter sind geschockt, wie negativ verzerrt das Unternehmen durch die Medien dargestellt wird. Die Darstellung wird von Mitarbeitern, die tatsächlich bei Amazon arbeiten als ungerecht empfunden. Viele Menschen arbeiten gern beim Unternehmen.
  2. Der Vorwurf der Diskriminierung ist absurd. Vor Ort arbeiten über 50 Nationen. Die Geschäftsleitung geht sehr streng gegen alle Anzeichen von Diskriminierung vor.
  3. Es ist lange nicht alles okay. An vielen Stellen muss nachgebessert werden. Doch die Erfahrung zeigt auch, dass die Geschäftsleitung auf Kritik konstruktiv reagiert. Beispiel: Wenn es Beschwerden über die Qualität des Essens gab, hat die Geschäftsleitung selbst vor Ort gegessen, um es zu überprüfen und dann nachgebessert.
  4. Amazon wird und muss auch weiterhin zur Weihnachtszeit Leiharbeiter befristet einstellen. Anders ist der Ansturm nicht zu bewältigen.
  5. Der Vorteil an der negativen Presse: Der Betriebsrat nutzt den Druck nutzen, um lange anstehende Veränderungen durchzubringen

Wir wir uns entschieden haben, findest du hier.