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Die Liebe in dir

Autor Veit Lindau
Datum 24 Dez 2016
Die Liebe in Dir Veit Lindau

Was bedeutet Weihnachten für dich? Kindheitserinnerungen? Inniges Zusammensein mit deinen Liebsten?

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Was bedeutet Weihnachten für dich?

Kindheitserinnerungen? Inniges Zusammensein mit deinen Liebsten?

Einsamkeit, weil scheinbar alle jemanden haben, um zu feiern, nur du nicht?

Viel Stress in der Küche, weil du in diesem Jahr der Gastgeber bist? Die Freude am Schenken?

Hat Weihnachten überhaupt eine Bedeutung für dich oder bist du einfach nur froh, wenn der Rummel endlich wieder vorüber ist?

Die heidnischen Anteile in dir spüren vielleicht den Umschwung in der Natur und bejubeln in diesen Tagen die Rückkehr des Lichts Wenn du Christ bist, feierst du in der Kirche die Geburt Jesu, selbst wenn du weißt, dass das Datum vor ca. 1700 Jahren von der Kirche willkürlich festgelegt wurde, um den Sonnenkult des römischen Kaisers und die heidnischen Sonnenwend-Rituale zu überlagern.

Vielleicht gehst du sogar einen Schritt weiter und hinterfragst, ob es Jesus und seine Wundertaten wirklich gegeben hat.

Gute Frage. Was, wenn es Jesus nie gegeben hat?

Was, wenn die ganze Geschichte nicht wahr ist – im Sinne von „tatsächlich so geschehen“ – sondern ein mächtiger kollektiver Traum, den Milliarden von Menschen seit über 2000 Jahren durch ihren Glauben am Leben halten, an ihre Kinder und Enkel weitergeben?

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Wenn es Jesus nie gegeben hätte, würde dieser Traum vollständig auf uns zurückfallen. Es gäbe niemanden da draußen, den wir aus Angst kreuzigen oder aus Bewunderung auf einen Thron setzen könnten. Es gäbe niemanden, den wir für seine unendliche, bedingungslose Liebe verehren könnten. Wir wären plötzlich allein mit unserem Traum und müssten uns radikal fragen, was er mit uns zu tun hat. Warum halten wir ihn schon solange aufrecht? Warum ist der Glaube an eine solche Geschichte so mächtig, dass er uns befähigt so viel Gutes zu tun, aber auch schreckliche Kriege führen lässt?

Vielleicht, weil dieser Traum viel mehr mit uns als mit Jesus zu tun hat.

Vielleicht fasziniert uns diese Geschichte so sehr, weil sie uns so viel über uns persönlich erzählt. Wir halten an ihr fest, weil wir ahnen, dass auch in uns das Potential ruht, genauso bedingungslos zu lieben. Wir schauen diesem Menschensohn bei seinem Erwachen und seinem Ringen mit der Wahrheit zu und wissen instinktiv, dass wir uns gerade selbst in diesem Kampf befinden. Das kleine Ich gegen das große, freie Selbst.

In stillen Momenten der Meditation, in der Hingabe im Liebesakt oder beim Hören einer Sinfonie verstehen wir auch, warum Jesus in unserem Traum immer wieder auf uns zeigt und darauf beharrt:

„Das Königreich ist in dir.“

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Der Fakt, dass er ein einfacher Zimmermann war, erinnert uns daran, dass das Wunder nicht in „besonderen“, sondern einfachen Menschen wie uns darauf wartet, entdeckt zu werden. In unserem Traum stehen die Jünger Jesu vielleicht für all die Anteile in uns, die noch zweifeln, blind folgen, manchmal aus Angst kneifen und in extrem entscheidenden Momenten einschlafen. Erschrocken-verängstigt-fasziniert schauen wir auf die Kreuzigung. Wenn wir sie persönlich nehmen, tauchen herausfordernde Fragen auf.

Wo ist der Judas in mir und wie verrate ich wieder und wieder mein wahres Selbst, weil ich es (noch) nicht aushalte, so zart, so liebevoll, aber in dieser Liebe auch so mächtig zu sein?

Wo springe ich wieder und wieder von meinem Kreuz herunter? In Momenten, in denen es zu heiß wird. In denen ich ahne, dass dieser Schritt in die vollständige Hingabe mich mein komplettes Ich-Verständnis kosten würde und gleichzeitig der Eintritt in eine wesentlich größere Dimension der Existenz bedeutet, von der ich weiß, dass sie existiert und nach der ich mich – egal ob Atheist oder Christ – immer sehne. Nicht im Himmel. Nicht nach diesem Leben. Sondern jetzt und hier.

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Wenn es Jesus so nie gegeben hätte, wäre ich allein mit meinem Traum. Nicht die Kirche hätte mehr die Deutungshoheit. Nur noch ich. Ich müsste und dürfte mich endlich fragen:

Was erzählt mir dieser Traum über mich?

Wo berührt mich diese Botschaft über eine freiere Möglichkeit zu lieben?

Wer sind die Bettler und Aussätzigen in meinem Leben, die darauf warten, von mir geliebt zu werden? In Form nervender Mitmenschen, einer beunruhigenden Menge an Flüchtlingen oder noch viel direkter in all den Anteilen, die ich in mir verachte.

Welchen Marktplatz des Feilschens habe ich um meine heiligste Sehnsucht aufgebaut und wann ist es Zeit, ihn wild und kraftvoll hinwegzufegen?

Wo setze ich andere Menschen auf einen Thron, anstatt ihn selbst einzunehmen?

Wie tief bin ich bereit zu lieben?

Wie weit bin ich bereit zu gehen, um herauszufinden, wer ich wirklich bin?

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In der Bibel wird auch das Zweite Kommen angedeutet. Eines Tages, wenn die Kacke hier auf Erden so richtig am Dampfen ist, wird er wiederkommen. Nun, die Kacke ist am Dampfen. Viel mehr geht nicht. Und wenn dies unser aller kollektiver Traum ist, wer ist dann wohl mit dem zweiten Kommen gemeint?

Vielleicht hindert dich folgender Zweifel noch daran, den Traum vollständig persönlich zu nehmen. Du denkst „Jesus hat so viele Wunder bewirkt. Er konnte Wasser in Wein verwandeln und Tote wieder zum Leben erwecken.“ Das kannst du auch. Ein Kaffee, den du in Liebe einem Obdachlosen überreichst, ist ab da nicht mehr nur ein Kaffee. In ihm ist etwas, was den euch beide für immer verändern kann. Du hast die Macht, durch echte Aufmerksamkeit, die richtigen Fragen und als inspirierendes Vorbild viele Halbtote wieder zum Leben zu erwecken. So wie es auch dir ganz sicher schon geschehen ist.

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Wer kann schon definieren, wo ein Wunder beginnt und wo es endet? Unser Alltag ist voller Wunder. Wir sehen sie nur nicht mehr. Wir sind alle mächtig, Wunder zu vollbringen. Oft sind uns die Wechselwirkungen unserer täglichen Gesten und Gespräche nicht bewusst. Wenn wir sehen könnten, wie unser mürrischer Blick unseren Nachbarn beeinflusst oder unser Lächeln vielleicht den ganzen Tag in ihm nachschwingt, würden wir uns auf eine gute Weise bedeutsamer fühlen.

Noch ein Wort an die Atheisten, die gar nicht an Gott glauben und für die deshalb die Geschichte von Jesus keine Bedeutung besitzt. Neulich sah ich eine Folge der Serie „Vikings“. Darin gab es eine mich sehr berührende Szene. Zwei alternde, von ihren Schlachten müde Könige, ein Wikinger und ein Engländer, sitzen zusammen und stellen sich plötzlich die Frage: „Was, wenn es den Himmel und die Götter, für die wir kämpfen, gar nicht gibt?“ Der englische König spricht verzweifelt den Gedanken aus: „Aber dann hätte ja nichts mehr eine Bedeutung.“ Worauf Ragnar, der Wikinger, ihm mit leuchtenden und wachen Augen antwortet: „Oder alles hätte dann Bedeutung.“

Ich weiß nicht, ob es Jesus gab oder nicht. Ehrlich gesagt, ist es mir auch egal. Doch ich weiß, dass ich heute lebe und dass mich diese Geschichte persönlich bewegt. Dass jeder Moment darauf wartet, dass wir ihm Bedeutung verleihen. Ich weiß nicht viel, aber in einem bin ich mir sicher. Das, was wir als Menschheit bis jetzt erreicht haben, ist nicht das Ende unserer Möglichkeiten, sondern der Anfang.

Wir sind alle mächtig, Wunder zu vollbringen.

Wir sind alle mächtig zu lieben.

Wir sind fähig, die Mythen unserer kollektiven Seele in ihrer besten Version wahr zu machen.

Frohe Weihnacht!

PS: Und falls es Jesus tatsächlich gegeben sollte, wird er lächeln und denken: „Endlich, endlich haben sie es kapiert.“

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VIDEOTIPP

Veit Lindau. Die Kraft der Liebe

26.12., 20 Uhr, live online. Details dazu hier.

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